

Jugendgruppen bei Fliederlich – von den Anfängen bis heute
Die Jugendinitiative bei Fliederlich ist heute eine der größten und aktivsten Gruppen des Vereins. Nicht immer allerdings hatte Fliederlich eine eigene Jugendgruppe, auch tat sich der Verein in den ersten Jahren seines Bestehens schwer damit.
Nachfolgend soll die Geschichte der queeren Jugendgruppen in Nürnberg und bei Fliederlich nachgezeichnet werden – mit Schwerpunkt auf die frühen Jahre, bis hinein ins erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Die neuere Geschichte der Jugendinitiative bei Fliederlich kann diese durch ihr aktuelles Wirken selbst und besser erzählen.
Die erste Initiative
November 1983: Die Nürnberger Schwulengruppe Fliederlich ist soeben fünf Jahre alt geworden, mit ihr sind die bisherigen Aktivsten älter geworden. Neue Männer, auch jüngere, kommen hinzu. Aus der mit Fliederlich assoziierten Schwulenberatung Rosa Telefon heraus entsteht die erste Initiative zum Aufbau einer schwulen Jugendgruppe vor Ort. Aber wie genau könnte sie aussehen? Wie funktionieren? So wird zunächst bei 16 schon bestehenden Gruppen in ganz Deutschland nach Erfahrungen und Tipps angefragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Manche Gruppen schildern vor allem ihre Probleme, andere, wie z. B. die Kölner Gruppe, sind schon wieder eingeschlafen.
Dennoch wird im Februar 1984 ein erster Versuch unternommen, Interesse für eine schwul/lesbische Jugendgruppe in Nürnberg zu wecken. Ein Flyer wird verteilt, eine Pressemitteilung verschickt. Geworben wird mit dem satzzeichenreichen Slogan „Schwul!? Lesbisch!? Schluss mit dem Versteckspiel!!“.
Diese Initiative stößt bei den langjährigen Fliederlich-Mitgliedern nicht nur auf Begeisterung, zumal der Verein durch zu wenig aktive Mitarbeit in einer Krise steckt. In einem Thesenpapier eines Aktivisten wird die Befürchtung geäußert, dass der Verein durch eine Jugendgruppe als wichtige Anlaufmöglichkeit für ältere „Neuschwule“ verloren ginge. Diese würden nicht unbedingt in „Jugendlichengruppen“ aktiv werden wollen.
Auszug aus Desi-Protokoll 1984 / Auszug aus Schreiben der CSU-Stradtratfraktion 1984
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Schwesbennest
So trifft sich die erste schwul/lesbische Jugendgruppe in Nürnberg zunächst nicht am gleichen Ort wie Fliederlich. Nach einem entsprechendem Raumantrag kommt sie als Gruppe im Stadtteilzentrum „DESI“ unter. Das erste Treffen findet im März 1984 statt, beim Treffen April 1984 gibt sich die Gruppe einstimmig den Namen Schwesbennest.
In dieser Zeit kann die Existenz einer queeren Jugendgruppe in Bayern noch für gehöriges Aufsehen sorgen. Moralisch besorgt schickt die damalige CSU-Stadtratsfraktion im Mai 1984 einen Brandbrief an den amtierenden Oberbürgermeister Dr. Urschlechter, verbunden mit der Aufforderung, unverzügliche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Nach Intervention des Jugendamts wird allerdings zurückgerudert.
Neben den wöchentlichen Treffen, auf der Aktivitäten wie Diskoabende geplant werden, beteiligt sich Schwesbennest im Mai 1985 als Mitveranstalter an der vielbeachteten Ausstellung „Homosexualität und Politik seit 1900“ in der DESI. Danach wird es ruhig um die Gruppe und es häufen sich die Klagen über Mitgliedermangel. Ein DESI-Protokoll vermerkt im Januar 1986 den momentanen Tod von Schwesbennest, zugleich verbunden mit der Hoffnung auf einen Neustart durch gemeinsame Veranstaltungen mit Fliederlich. Noch einmal erscheint ein Flyer mit dem Aufruf „Wir wollen die schwul-lesbische Jugendgruppe neu beleben!“
Play Gay
Im November 1986 dokumentiert ein handschriftliches Protokoll das Treffen einer neuen – nun rein schwulen – Jugendgruppe bei Fliederlich. Mit Flyer und Kleinanzeigen wird für die Gruppe geworben, die sich als schwule Jugendgruppe Mittelfranken versteht. im Dezember 1986 gibt sie sich den Namen Play Gay. Die Treffen finden wöchentlich im damaligen Fliederlich-Zentrum in der Sandrartstraße statt. Ein Fliederlich-Plenumsprotokoll vom August 1987 berichtet von 7 bis 8 Teilnehmenden an der Jugendgruppe.
Allerdings muss auch Play Gay mit unbeständigen Teilnehmerzahlen kämpfen. In einem Artikel in der Nürnberger Schwulenpost (NSP) im Dezember 1987 wird das mangelnde Durchhaltevermögen einiger Gruppenmitglieder beklagt. Zugleich wird für einen neuen Anlauf geworben – jetzt wieder als schwul-lesbische Jugendgruppe. Der Druck von 1.000 Werbeaufklebern wird vom Verein genehmigt.
Schwul-lesbische Jugendgruppe
1988 sind die Treffen der Schwul-lesbischen Jugendgruppe regelmäßig in der Nürnberger Schwulenpost (NSP) im Terminkalender gelistet. Dann werden Fliederlich die Vereinsräume in der Sandrartstraße gekündigt: Die Treffen gestalten sich schwierig, die Teilnehmerzahl sinkt erneut. So wird beschlossen, die Jugendgruppe erst wieder in einem neuen Vereinszentrum fortzuführen. Im März 1989 endlich findet die Jugendgruppe im Interims-Zentrum von Fliederlich in der Ludwigstraße eine neue Bleibe.
Plakat zum Ganymed-Straßenfest 1990 / Entwurf für Ganymed-Flyer 2005
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Ganymed
Als das nächste Fliederlich-Zentrum in der Luitpoldstraße bezogen wird, startet die schwule Jugendgruppe weiter durch. 1990 gibt sie sich den Namen Ganymed. Im gleichen Jahr macht sie mit einem eigenen Straßenfest auf dem Nürnberger Jakobsplatz auf sich aufmerksam. Die Gruppe wird in den darauffolgenden Jahren zu einer festen Konstanze im Fliederlich-Vereinsleben. Um der wachsenden Nachfrage und Fluktuation gerecht zu werden, gibt um 1996 mit „Die Geschlossene“ sogar eine separate Ganymed-Gruppe, in der Themen und Probleme im geschützten Rahmen intensiver besprochen werden können.
Jugendgruppen in der Öffentlichkeit
Ab September 2001 steht in der Nürnberger Schwulenpost die Gruppe YoungLes im Gruppenverzeichnis. 2002 treten diese Gruppe für junge Lesben sowie die Gruppe Ganymed gemeinsam als Jugendinitiative dem Kreisjugendring bei. Auch darüber wird ausführlich in der Nürnberger Schwulenpost berichtet. 2004 und 2008 werden die Jugendgruppen in ausführlichen Artikeln in den Nürnberger Nachrichten vorgestellt. 2009 entwickelt und veröffentlicht die Jugendinitiative ein eigenes Faltblatt zum CSD.
Beitrag der Jugendinitiative zum CSD 2015 / Jugendinitiative-Flyer 2024
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Jugendinitiative heute
Ende 2015 verschmelzen die beiden Jugendgruppen endgültig zur heutigen Jugendinitiative. Daraufhin wird im Fliederlich-Plenum vom Januar 2016 von neuem Schwung mit neuen Teamern berichtet.
Die Jugendinitiative steht allen queeren Jugendlichen von 14 bis 27 Jahren offen. Für junge trans*, non-binäre und inter* Leute von 14-27 Jahren gibt es zudem die Gruppe t*time.
Über die aktuellen Angebote und Termine informiert die Jugendinitiative über ihre Webseite und Social-Media-Kanäle.
Jugendgruppen und queere Biografie
Im Laufe der Jahrzehnte sind nicht wenige der heutigen Fliederlich-Mitglieder irgendwann Teil einer der Jugendgruppen. Diese waren und sind eine wichtige Station auf dem queeren Lebensweg. Logischerweise hält in der eigenen queeren Biografie das Jugendgruppenalter nicht ewig an, und mindestens einer der Initiatoren der ersten Fliederlich-Jugendgruppe 1983 genießt bereits sein aktuelles Rentnerdasein.
Für queere Erwachsene, die heute der Jugendinitiative entwachsen, wird bei Fliederlich die Gruppe Q*Pit angeboten.